Ein alter Klassiker in mehrerlei Hinsicht – unter anderem ein Set, wo die Welt der Klemmbausteine noch in der alten Ordnung war. Als Lego noch Sets im Portfolio hatte, die wahrlich Kreativität und Phantasie von vielen Kinder förderte. Auch eine Zeit, wo Lego noch als reines Kinderspielzeug galt, wo Gussnasen wirklich nur eine hauchdünne Schicht von Klemmern störte. Ach, da könnte noch mehr aufgezählt werden. Macht den Fluxkompensator startklar, wir machen eine Zeitreise ins Jahr 1987.
Es ist auch ein alter Klassiker insofern, da das Review hier grundlegend auf einem älteren Werk von mir auf der Noppensteinwelt basiert (Klick). Generell gesehen war dieses Set mein drittes Review, was ich überhaupt in geschriebener Form über Klemmbausteine im Internet veröffentlicht habe und es hat mich ziemlich angefixt zu dem Thema. Daher läufts auch unter Review Reloaded, da der Content für meinen Blog angepasst neu hier zu lesen ist.
Es ist aber auch ein Review mit einem Gebrauchtset, daher wird es hier kein klassisches Unboxing geben mit einer Myriade an Kartonbildern. Am 13. Oktober 2019 fand ich das Set auf einem Flohmarkt im Münchner Speckgürtel zusammen mit anderen gebrauchten Lego-Konvoluten aus den 1970ern, 1980ern und 1990ern, die für einen sehr fairen Tarif den Besitzer gewechselt haben. Es war ein Gebrauchtlegohändler aus den Zeiten, bevor es Internet gab, quasi bevor Bricklink oder ähnliches auch nur im Ansatz das Licht der Welt blickte. Er hat da auf dem Flohmarkt seine letzten Reste verkauft und so ziemlich ein sehr guten Teil wanderte zu mir.
Flohmärkte sind generell eine gute Quelle für gebrauchtes Lego, mittlerweile findet man auch dort Sets anderer Klemmbausteinhersteller, im Sommer 2020 konnte ich auch zum Beispiel die ersten Sets von Mega Construx finden (War nur nichts für meinen Geschmack dabei, auch waren sie unvollständig). Es lohnt sich oft, genauer hinzuschauen, denn nicht selten verbergen sich richtige Perlen darunter. Hilfreich ist mittlerweile bei Preisunsicherheit das Smartphone und etwas Erfahrung, aus welchem Jahr das Set von Lego stammt. So kann man bei eruierter Setnummer via Bricklink, Brickeconomy, Brickowl und anderen Plattformen die aktuellen Marktpreise prüfen. Die Preise vor allem bei Bricklink für gebrauchte Sets sind ein guter Kompass, den ich persönlich präferiert nutze. Wenn ihr euch „weiterbilden“ wollt zum Thema Retrolego, so kann ich nur jedem nahelegen, sich die Kataloge aus den Jahren sich zu besorgen, die einem besonders interessieren. Die gibt es mittlerweile auch als PDF im Download, hier empfehlenswert: worldbricks.com
Damaligen Recherchen zur Folge hatte das Set damals einen UVP von rund £ 6,- in Großbritannien (leider kein Referenzpreis gefunden für Westdeutschland). Die Berechnung der Inflation sowie dann die Umrechnung von Pfund auf Euro erbrachte eine Summe von knapp 16,82 Euro. Heute wärs wohl mit 19,95 Euro UVP im Handel, also war auch Lego damals schon nicht gerade günstig (Für die „früher-war-alles-besser„-Fraktion).
Ich bin eigentlich stark davon ausgegangen, dass es ein Zusatzgebäude für das Set 6373 (Motorradhändler) sei. Das Set 6373 von 1984 blieb mir gut in Erinnerung, weil es halt auch Motorräder hat und viel Gelb fürs Gebäude zeigt bei einer Bauweise, die noch die späten 1970er repräsentieren.
Aber da tut man dem kleinen Set 6699 unrecht.
Ich bin immer noch hocherfreut, was die Dänen mit nur 63 Steinen damals geschafft haben. Heute hätte wohl das Set 200+ Steine und würde sicherlich irgendwie das Einhornsputum innehaben.
2 × Motorrad & 1 × Fahrrad
Wer von euch damals aktiver Kunde und/oder Nutzer in Kindform war, wird sich erinnern, dass Fahrräder ziemlich rar in den 1980ern waren. Entweder via Geschenkset, Flohmarkteinzelkauf oder Fünffingerdiscount ist man damals an ein Fahrrad rangekommen.
Minifiguren
Die generischen Minifiguren, welche hinten unbedruckt sind – beides Kinder ihrer Zeit. Eher am Ende ihrer Zeit, denn 1987 kamen schon die neuen Helme mit Visier (in diversen Transfarben zum Durchschauen, die Dinger sind nach 30 Jahren Grabbelkiste oft brutalst milchig). Es ist einer der letzten Sets mit dem alten Helm (1978-1987). Oh, hab acht, beim Set stimmt was nicht.
Augen auf beim Gebrauchtsteinkauf!
Da fällt mir spontan auf, dass mein gebrauchtes Set zwar vollständig ist aber nicht ganz die richtigen Teile hat. Seht ihr den Helm im Gebäude? Das ist der neue Helm ab 1987, denn laut Bricklink und Anleitung gehört da aber noch ein alter Helm bis 1987 rein.
Exkurs: Dänische Helmkunde
Den Helm, den wir heute von Lego kennen, den auch (manchmal dezent abgewandelt) andere Marken und Hersteller haben, kam 1987 in den Farben Gelb, Schwarz, Blau und Rot – Weiß erst 1988, er ist auch unter der Teilenummer 2446 bekannt. Es gibt aber einen Vorgänger, der zwar die Einkerbung für ein Visier hatte, aber nicht fürs Motorrad:
Dieser legendäre Helm, den auch die Figur Benny im Lego Movie hatte, wurde 1978 bis 1987 von Lego in den Sets angeboten und ist auch bekannt unter der Teilenummer 193. Die Einkerbungen sind zwar für ein Visier, allerdings nur für sehr frühe Rittersets von Lego, hier genauer mit der Teilenummer x105 – diese Visiere kosten ein Vermögen (geht gebraucht ab 5,- Euro los und hört bei 35,- Euro Neuteil auf). Sprich, die meisten Helmnutzer für das Thema Stadt und Weltraum hatten immer einen offenen Helm. Soweit der Exkurs in die Geschichte der Helme aus dänischer Fertigung.
Zurück zur den Unstimmigkeiten im Set, denn der nächste Fehler wartet schon. Unter dem roten Töff müsste ein 2×3 Stein sein, hier aber ist es ein 2×4 Brick. Ah ja, ok, was soll’s, wär mir fast nicht aufgefallen. Erst als ich sah, dass die 1×2 Jumperplate nicht da war, wo sie sein sollte, bemerkte ich den „Fehler“.
Joa, für die bezahlten 8,- Euro auf dem Flohmarkt absolut in Ordnung. Bricklink sagt 20,- bis 30,- Euro in dem Zustand (Stand März 2021).
Aufkleber, Anleitung und Aufbau
Kinder, keine Aufkleber! Prints, astreine saubere Prints! In sehr guter Qualität, selbst nach 32 Jahren, das Set sieht bespielt aus und auch die nicht korrekten Teile wirken so, als ob das Set nochmal zusammengebaut wurde aus den Teilen. Die Prints können sich immer noch sehen lassen, ich bin wirklich total zufrieden und erstaunt zugleich.
Ein paar Vorworte zur Anleitung. Ich würde gerne ein Kind im Alter von sechs bis acht Jahren davor setzen. Ich wette mit euch, es bekommt es auch hin. Dauert womöglich länger, das Köpferl raucht sicher dem einen oder anderen Buben oder Mäderl. Jedoch sehe ich es so, dass man länger was vom Set hat als mit heutige Anleitungen. Auch stelle ich die Behauptung auf, dass ein Kind, was zuvor wenig bis kein Kontakt mit Klemmbausteinen hatte in dem Alter es sogar schneller hinbekommen könnte als ein Kind, das mit aktuellen Sets von Lego aufgewachsen ist.
Galerie zur Anleitung:
Nun, was soll man dazu eigentlich sagen? Es wirkt so unaufgeregt skandinavisch. Kein Bling-Bling, keine Reizüberflutung, keine Kaufvorschläge, einfach eine Bauanleitung, ein lapidares Faltblatt. Zirka vier bis sieben Steine auf pro Bauschritt zu insgesamt zehn Bauschritten. Wer die Anleitung in schön anschauen möchte, dem lege ich auch hier einschlägige Seiten wie worldbrick.com wärmstens ans Herz.
Zusammenfassung der Bauanleitung:
- 1 Faltblatt (effektiv 2 Seiten)
- 13 × 13 cm und ausgefaltet 40 × 13 cm
- 10 Bauschritte
- Keine Bauabschnitte
- Farbdruck
- Keine Ausgrauung, Markierung oder dergleichen.
Zum Aufbau lässt sich auch sagen, dass es eben eine richtig schöne Zeitreise in die späten 1980er war, beruhigend – aber nicht einschläfernd. Dadurch, dass keine Teile vorgegeben sind in der Checkbox im Bauschritt, besteht die Kunst darin, mit dem vorherigen Bild zu vergleichen oder mit dem teilgebauten Set. Man versinkt einfach, baut und vergisst etwas die Zeit sowie die Welt drumherum. Auch hier hat mich Lego voll um den Finger gewickelt, weil ich das Fotografieren vergessen habe.
Eingesetzte Farben:
- Schwarz
- Blau
- Light Gray (das alte Grau bis 2003)
- Rot
- Transrot (Rückleuchten)
- Transgelb (Scheinwerfer)
- Weiß
- Gelb
- Transclear (Felgen Motorräder)
Fazit
Kritik? Minimale. Eher optischer Natur. Aber echte Kritik ist auch dabei.
Es stört mich als erwachsenen Klemmbausteinfreund, dass hier keine Säule rausgebaut wurde. Es hätte die Werkstatt optisch vollständiger gemacht. Vom Aufwand her wäre es kein Problem gewesen, was wohl die Leute in Billund sich bei der finalen Abnahme gedacht haben – wir werden es nie erfahren. Wäre es mir aber als Kind aufgefallen? Nö, überhaupt nicht. Es wäre mir später mal aufgefallen nach dem drölften Wiederaufbau.
Farbabweichungen hat das Gelb, die Frage stellt sich auch: Ist das eher dem Alter geschuldet oder war das damals auch schon ein Thema? Mir ist es egal, es ist beim Kaufzeitpunkt damals 32 Jahre alt gewesen und da muss es erst recht nicht mehr perfekt sein. Patiniert und in Würde gealtert, so darf das gerne sein.
Kein Kritikpunkt, aber Anmerkung: Für damalige Schlachter sicherlich durchaus interessant, dass man statt 1×1×5-Säulen hier fünfmal 1×1er Steine genommen hat. Der Grund ist auch ein ganz profaner: Die 1×1×5-Säulen kamen erst 1988 auf den Markt, in der Farbe Gelb sogar erst 1989 (Setnummer 6276, die Eldorado Festung). Dabei ist unser Set von 1987 und zehn 1×1 Steine kann man dennoch immer gebrauchen.
Gussnasen waren auch 1987 ein Thema. Nur falls wer die gute alte Zeit total verklärt. Die Qualität der Gussnasen erinnert mich total an mache Gussnasen von Cobi.
Würden die Dänen heute noch solche rudimentären Sets rausbringen, ich wäre wohl nie auf die Idee gekommen, auf andere Hersteller und Marken auszuweichen. Wer ähnliche Sets herausbringt, ist zum Beispiel Kazi Bricks sowie die älteren Sets von Klocki Blocki. Beide sind nicht perfekt, aber genau darin liegt ja die Stärke. Man regt die Phantasie an, aus der vermeintlichen Imperfektion das für sich perfekte Set daraus zu bauen. Zack, schon ist man gebunden und wird in die Welt der Klemmbausteine hineingezogen. Das ist ja das Tolle an unserem Hobby – was nicht passt, wird passend gemacht (mit Gelinggarantie!).
Kaufempfehlung? Leute, ihr fragt den falschen Mann. Ihr könntet mir nahezu fast jedes Set zum Thema Stadt bis 1995 vorlegen und ich würde es bejahen, sofern der Preis stimmt. Dazu bin ich einfach zu sehr befangen, auch wenn ich es versuche, objektiv zu sehen. Im Grunde: Stimmt der Preis und der Gesamteindruck – Go for Gold!
Danke für eure Aufmerksamkeit, haut rein und baut fein!
Hardfacts zu Lego 6699 – Zweiradwerkstatt/Cycle Fix-It Shop
Altersempfehlung | 5 Jahre und älter |
Seterscheinung | 1987 |
Preis UVP heutiger Gegenwert | Ca. 16,- bis 20,- Euro (Stand März 2021) |
Preis aktuell | Ca. zwischen 20,- und 40,- Euro (Stand März 2021) |
Aufkleber | Keine |
Teileanzahl | 66 |
Teilepreis | Zwischen 0,30 und 0,60 Euro |
Setgröße (L×B×H) | 13 × 6,4 × 7,3 cm |
Bauzeit | keine Ermittlung möglich, da Teilaufgebaut |
Schwierigkeitsgrad | Einfach |
Kennzeichnungsart der zu verbauenden Steine im jeweiligen Bauschritt | Keine |
Anleitungsart | Faltblatt 40 × 13 cm |
Seitenanzahl der Bauanleitung | 2 |
Bauabschnitte | Keine |
Bauschritte | 10 |
Ø der Teile pro Bauschritt | 6 bis 7 |
Teileinventar in der Bauanleitung | Nein |
Minifiguren | 2 |
Anleitung als PDF beziehbar | Ja (worldbrick.com) |